Seit ChatGPT für die Allgemeinheit verfügbar ist, lautet eine der zentralen Fragen: Zerstört KI Jobs? Und wenn ja, welche Branchen und Berufe sind davon betroffen? Die meisten Diskussionen sind dabei eher oberflächlicher Natur, basierend auf Anekdoten und Hypothesen.
Anders Humlum von der University of Chicago Booth School of Business und Emilie Vestergaard von der University of Copenhagen haben sich dem Thema nun in ihrem Paper «Large Language Models, Small Labor Market Effects» wissenschaftlich genähert.
Sie untersuchten die Arbeitsmarkteffekte von KI-Chatbots anhand von zwei gross angelegten Erhebungen zur Einführung von Chatbots (Ende 2023 und 2024), die 11 exponierte Berufe (25’000 Arbeitnehmer, 7’000 Arbeitsplätze) abdecken und mit abgeglichenen Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Daten in Dänemark verknüpft sind.
Zu den untersuchten Berufen gehörten: Buchhalter, Kundenbetreuer, Finanzberater, Personalfachleute, IT-Support-Spezialisten, Journalisten, Juristen, Marketingfachleute, Büroangestellte, Softwareentwickler und Lehrer.
64-90% der untersuchten Jobs haben zwar von Zeiteinsparungen durch die Nutzung von KI berichtet. Insgesamt haben die befragten Arbeitnehmenden von einer Zeitersparnis von 2.8%, also rund 1 Stunde pro Woche, berichtet. Zwar gibt es eine andere Studie, welche von Zeitersparnissen von bis zu 15% berichten. Dort wurden aber ausschliesslich Mitarbeitende im Kundendienst befragt.
KI schafft zusätzliche Aufgaben, die die gewonnene Produktivität gleich wieder zerstören.
Während die meisten nur auf die Effizienzgewinne durch KI achten, hat die Studie von Humlum und Vestergaard auch auf die zusätzliche Arbeit durch KI untersucht. Mit der Nutzung von Chatbots kamen nämlich gleichzeitig neue Aufgaben hinzu - sogar für Personen, die selbst KI gar nicht oder kaum nutzen. KI schafft also Tätigkeiten, die die Zeitersparnis durch die Nutzung der KI gleich wieder zunichte machen.
Beispiele dafür sind Lehrer, welche nun viel Zeit investieren um herauszufinden, ob ihre Schüler die Hausarbeiten mit KI geschrieben haben. Oder generell Mitarbeitende, die sehr viel Zeit ins Prompting investieren oder um die Qualität des Outputs zu überprüfen und zu korrigieren.
Das Problem ist nicht, dass die Mitarbeitenden die KI-Chatbots nicht nützen würden, ganz im Gegenteil. Auch die Unternehmen fördern die Nutzung immer stärker. Aber die ökonomischen Vorteile halten sich unter dem Strich leider sehr in Grenzen.
Persönlich geht es mir genau gleich
Das zeigt sich auch in meiner persönlichen Erfahrung: Ich nutze ChatGPT zwar regelmässig, aber ich habe nicht das Gefühl, dass es meinen Arbeitsalltag komplett verändert oder es mich viel produktiver gemacht hätte. Ich nutze KI gerne als Sparring Partner, wenn ich Content kreiere. Ich diskutiere dann mit dem Chatbot über mögliche Blickwinkel auf das Thema, über die Umsetzung als Video oder über eine Visualisierung. Schneller macht mich dies nicht, aber hoffentlich besser.
Interessant ist auch, dass gemäss der Studie nur 5-7% der Produktivitätsgewinne an die Mitarbeitenden gehen in Form von höheren Löhnen. Dies ist ja auch meine oft geäusserte Kritik: Wir sprechen nicht darüber, was wir mit der Produktivitätssteigerung durch KI schlussendlich machen. Steigern wir einfach weiter die Gewinne der Unternehmen und unseren Wohlstand? Oder bleibt uns dank KI mehr Zeit für andere Dinge, die uns ebenfalls wichtig sind?
💭 Reader, hier ein Gedanke für dich: Macht uns KI wirklich produktiver? Oder ist es einfach praktisch, wenn uns der Chatbot einen Text generiert, ohne dass wir uns anstrengen mussten - aber wirklich Zeit spart es uns nicht?